Tiere, Politik & Internationales Revidierte Tierzuchtverordnung gefährdet Erhaltung seltener Nutztierrassen

Unsere Interpellation an den Bundesrat, eingereicht von Ständerätin und ProSpecieRara-Stiftungsrätin Maya Graf, macht auf gravierende Lücken in der totalrevidierten Tierzuchtverordnung (TZV) aufmerksam. Wir sind überzeugt: Ohne eine bessere Verankerung der Erhaltungszucht sind zahlreiche Schweizer Nutztierrassen in ihrer Existenz bedroht.

Gefährdete Nutztierrassen sind ein zentraler Teil unserer tiergenetischen Ressourcen. Sie bilden die genetische Grundlage für zukünftige Anpassungsfähigkeit und Robustheit – gerade in Zeiten des Klimawandels und zunehmender Spezialisierung moderner Hochleistungsrassen. Dass ausgerechnet die Erhaltung dieser Vielfalt in der neuen Verordnung keine Erwähnung mehr findet, stösst bei ProSpecieRara auf Unverständnis.

Erhaltungszucht nicht mehr Ziel von Zuchtprogrammen

In der revidierten Verordnung, die per Anfang 2026 in Kraft treten soll, ist die Erhaltung einer Rasse nicht mehr als eigenständiges Ziel von Zuchtprogrammen vorgesehen. Stattdessen liegt der Fokus ausschliesslich auf genetischer Verbesserung – ein Ansatz, der sich an grossen Tierpopulationen orientiert und für kleine, bedrohte Bestände nicht praktikabel ist. Damit ignoriert die neue Regelung die bewährte Praxis der vergangenen Jahre – und steht im Widerspruch zu internationalen Standards, etwa innerhalb der EU.

Kleine Bestände besonders betroffen

«Gerade die seltenen Rassen sind ein Reservoir genetischer Vielfalt und brauchen mit ihren kleinen Populationsgrössen gezielte Unterstützung, keine zusätzlichen Hürden», sagt Maya Hiltpold, Projektleiterin Tiere von ProSpecieRara. In der Interpellation fordern wir unter anderem, dass:

  • Zuchtorganisationen mit kleinen Beständen eine ausreichende finanzielle Unterstützung erhalten,
  • unnötige Anforderungen wie aufwändige und teuere Zuchtwertschätzungen bei geringer Tierzahl gestrichen werden,
  • und dass Organisationen wie ProSpecieRara weiterhin Erhaltungsprojekte einreichen dürfen.

Erprobte Praxis droht zu verschwinden

Die gängige Förderungspraxis erlaubte bisher, dass auch für Schweizer Rassen, für welche noch keine Zuchtorganisation anerkannt ist und bei welchen sich die organisierte Zucht im Aufbau befindet, Erhaltungsprojekte eingereicht werden konnten. In einem solchen Projekt wurde beispielsweise die Verwandtschaft innerhalb der gefährdeten Appenzeller Spitzhaubenhühner, Appenzeller Barthühner und Schweizerhühner untersucht und die Züchter:innen sensibilisiert und für die Weiterzucht motiviert. Damit wurde sichergestellt, dass kleine Populationen nicht noch während des Wiederaufbauprozesses verloren gingen. Da während dieser Übergangszeit naturgemäss die Strukturen nicht vorhanden sind, sprangen hier bisher übergreifende Organisationen wie ProSpecieRara ein und leisteten diese Aufbauarbeit, wie bei den Saaser Mutten. Mit der Totalrevision werden diese übergreifenden Organisationen von der Förderung ausgeschlossen, was indirekt die gefährdetsten Populationen trifft. 

Aber auch Rassen mit Vereinen, die sich um die Zucht kümmern und bisher als Zuchtorganisation anerkannt sind, gefährdet diese Totalrevision der TZV. Die Anforderungen, um überhaupt einen Teil der Aufwände durch den Bund finanziert zu bekommen, steigen, für tiefere Beiträge muss massiv mehr geleistet werden und die Zuchtorganisationen müssen sich allesamt neu anerkennen lassen. Dies betrifft speziell Rassen mit tiefen Tierzahlen wie die Stiefelgeiss, das Walliser Landschaf und das Bünder Oberländerschaf.

«Es ist zu hoffen, dass der Bundesrat diese negativen Folgen, welche die jetzt vorliegende Totalrevision der TZV auf kleine Populationen hat, noch korrigieren kann», appelliert Béla Bartha, Geschäftsführer von ProSpecieRara. «Denn nur was genutzt wird, bleibt erhalten. Und nur was politisch gewollt ist, kann bestehen». Die Stiftung fordert, dass die Erhaltungszucht in der Verordnung klarer verankert und die Erhaltung als legitimes Ziel der Zuchtarbeit anerkannt wird.

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