Was Inzucht ist, was sie bewirkt und warum wir sie in der Erhaltungszucht möglichst tief halten müssen.

In Kürze:
Inzucht, also die Paarung von zwei nah verwandten Tieren, kann nicht nur gesundheitliche Nachteile für den Nachwuchs mit sich bringen, sondern ist auch hinsichtlich der genetischen Vielfalt innerhalb der Rasse, möglichst zu vermeiden.

Etwas ausführlicher:

Inzucht ist die Paarung von verwandten Tieren
Der Inzuchtwert eines Tieres sagt aus, wie stark seine Eltern miteinander verwandt sind. Er wird meistens in Prozent angegeben. Deckt der Zuchtwidder eine Aue, deren Vater er ist, oder wird der Bruder einer Hennengruppe zu deren neuen Zuchthahn, ist die Inzucht offensichtlich. In beiden Beispielen haben die Nachkommen aus diesen Paarungen mit jeweils 25 % einen sehr hohen Inzuchtwert. Nicht immer aber geschieht Inzucht so augenscheinlich. Häufiger haben die Vorfahren zweier Paarungspartner gleiche, etwas weiter entfernte Verwandte, die einem weniger deutlich auffallen. Es ist darum wichtig, vor jeder Paarung mit Hilfe des Zuchtbuchprogramms berechnen zu lassen, wie hoch die Inzucht beim zu erwartenden Nachwuchs ausfallen wird.

ProSpecieRara legte mit 6.25% einen maximalen Inzuchtwert, der nicht übersteigt werden soll, fest. Dieser Wert entspricht einer Cousine-Cousin-Paarung. Dank dieser Faustregel setzten sich die Züchter*innen dafür ein, immer wieder ihre Vatertiere zu wechseln (die Töchter immer wegzugeben und dafür den Vater zu behalten ist eher unüblich). Das war mit ein Grund dafür, dass bei vielen Rassen aus nur noch wenigen Tieren wieder gesunde Populationen aufgebaut werden konnten. Mehr dazu: siehe Erhaltungszucht.

«Eine Inzuchtpaarung hat noch nie geschadet». Auffassungen wie diese kursieren immer mal wieder. Aber Vorsicht: Sie sind gerade bei Rassen mit kleinen Gesamtbeständen mit Vorsicht zu geniessen. Denn:

Inzucht führt zur Verarmung der Genetik
Alle Nutztiere besitzen ein Erbgut in Form von zwei Gensätzen. Ein Gensatz stammt von der Mutter, einer vom Vater. Sind diese Elterntiere stark miteinander verwandt, haben diese von ihren gemeinsamen Vorfahren viele gleiche Gene mitbekommen, die sie nun auch an ihre Nachkommen weitergeben. Das Erbgut dieser Nachkommen ist darum noch einheitlicher oder etwas drastischer formuliert, verarmt. Sind die Eltern jedoch wenig miteinander verwandt, tragen sie mehr unterschiedliche Gene in sich und zeugen Nachwuchs, der ebenfalls eine vielfältigere Genetik aufweist. Das ist wichtig für die Bewahrung eines breiten, vielfältigen Genpools innerhalb einer gefährdeten Rasse. Darum ist für möglichst tiefe Inzucht (nicht über 6.25 %) zu sorgen.

Inzucht kann zu Inzuchtdepression führen
Wenn Tiere mit hohem Inzuchtgrad geringere Leistung zeigen, langsamer wachsen oder krankheitsanfälliger sind, spricht man von Inzuchtdepression. Geringe Milchleistung, reduzierte oder fehlende Fruchtbarkeit und reduzierte Widerstandskraft können weitere Symptome von hoher Inzucht sein. Dazu kommen Krankheiten, die durch Inzucht begünstigt werden. Sie beruhen auf Krankheitsgenen, die nur dann die Krankheit ausbrechen lassen, wenn sie im Doppel vorhanden sind. Solche Gene können z.B. zum Absterben von Föten, Missbildungen, Blindheit, Stoffwechselkrankheiten und vielem mehr führen. Erhält ein Tier ein solches Krankheitsgen nur von einem Teil der Eltern, bleibt es gesund (kann das Gen aber wiederum an Nachkommen weitergeben). Erhält es das Krankheitsgen von Mutter und Vater, bricht die Krankheit aus. Und weil eben bei Inzucht die Wahrscheinlichkeit steigt, dass Nachkommen von Mutter und Vater gleiche Gene erhalten, sind Inzuchtpaarungen auch deshalb wann immer möglich zu verhindern.

Inzucht verhindern

  • Keine Zucht ohne vorherige Berechnung der Inzuchtwerte der zu erwartenden Nachkommen. Auskünfte gibt der*die Zuchtbuchführer*in oder die Zuchtleitung. Inzuchtwerte können bei Zuchtbüchern mit Internetzugang auch von den Züchter*innen selbst online berechnet werden.
  • Zuchtgruppe nicht aus Tieren aus vielen verschiedenen Zuchtbetrieben zusammenstellen. Das macht es später schwieriger, männliche Zuchttiere zu finden, die von der Inzucht her auf alle weiblichen Tiere passen.
  • Vater-Tochter- resp. Mutter-Sohn-Paarungen vermeiden: Inzucht passiert häufig auch ungewollt. Man verpasst den Moment, Jungwidder oder Jungböcke aus der Herde zu nehmen oder zu kastrieren und schon deckt der Nachwuchs die erwachsenen Zuchttiere. Deckschürzen können bei Ziegen und Schafen ungewollten Nachwuchs verhindern (siehe Bild).
  • Passiert Inzucht trotzdem, sind diese Tiere als Masttiere und nicht als Zuchttiere zu nutzen.