Rätisches Grauvieh

Das Rätische Grauvieh war einst weit verbreitet in den Bündner Alpen. Mit der Etablierung des Braunviehs verschwand es, konnte aber aus tiroler Restbeständen wieder angesiedelt werden. Damit blieb ein Stück lebendiges – und heute wieder gefragtes – Kulturgut erhalten

Die Wurzeln des Rätischen Grauviehs liegen weit zurück. Das Torfrind der Pfahlbauer, die silbergrauen Rinder der Rätier und das Vieh der Kelten, Alemannen und Walser formten diese alte Rasse mit, die somit als eigentliches Kreuzungsprodukt der Völkerwanderung bezeichnet werden kann. In der Abgeschiedenheit der Graubündner Täler entwickelten sich lokale Schläge, darunter das kleinere und leichtere Rätische Grauvieh – der so genannte Albula-Typ – und der etwas grössere und schwerere Oberländer-Schlag. Diese Tiere galten als ausgesprochene Dreinutzungstiere (Arbeit, Milch und Fleisch) und noch bis Ende des 19. Jahrhunderts war die Nachfrage nach Grauvieh im In- und Ausland gross. Durch die einseitige Förderung des auf Milchleistung gezüchteten Braunviehs wurde das Grauvieh bis 1920 verdrängt und ging in der Schweiz komplett in der Braunviehpopulation auf.

 

Wiederansiedlung des traditionellen Typs

Glücklicherweise konnte sich das Grauvieh im grenznahen Tirol halten. So konnten Mitte der 1980er-Jahre im Oberinntal und in der Finstermünzschlucht, wohin früher oft Tiere des Albula-Schlages ausgetauscht wurden, noch einzelne Tiere des ursprünglichen, kleinen Typs ausfindig gemacht werden. ProSpecieRara gelang es 1985 zusammen mit engagierten Züchtern das kleine, dem Albula-Schlag ähnliche Grauvieh, aus Tiroler Beständen wieder in der Schweizer Kulturlandschaft anzusiedeln. Mit dem leichten Rätischen Grauvieh konnte der Berglandwirtschaft eine Rasse gesichert werden, die sich für extensive Weiden und extreme Lagen sehr gut eignet.
Ein neuer Vorteil zeichnete sich in den vergangenen Jahren ab: Historische Ställe, die infolge neuer Tierschutzrichtlinien für Grossrassen als zu eng eingestuft werden, lassen sich mit den fast halb so grossen Grauvieh-Tieren weiternutzen.

 

Stolze Hornträgerinnen

Das Rätische Grauvieh ist behornt und weist verschiedene Grautöne auf: von eisen- über silbergrau und dunkelgrau bis zu graugelb, zum Teil mit einem fuchs-roten Stirnschopf. Es ist ein kleines, leichtes, robustes und langlebiges Zweinutzungsrind und punktet mit seiner Genügsamkeit. Genutzt werden die Tiere als Mutterkühe für die Kälbermast genauso wie für die Milchproduktion. Futtermittelvertreter haben wenig Freude am Rätischen Grauvieh, denn die Tiere benötigen kein Zusatzfutter sondern liefern auf Basis von Raufutter in respektablen Mengen Fleisch und Milch, wobei über eine Laktationsperiode im Durchschnitt 3'600 kg Milch zusammenkommen. In der extensiven Haltung sind die Rätierinnen auch deshalb beliebt, weil sie mit ihrem leichten Körperbau wenig Trittschäden verursachen und auch unwegsames Gelände beweiden können.

 

Bestandesentwicklung

  • steigend
     

Nutzung

  • Milch
  • Fleisch
  • Berglandwirtschaft
     

Zuchtziele

  • Widerstandsfähigkeit, Geländegängigkeit, Trittsicherheit
  • Hohe Lebensdauer
  • Gute Fruchtbarkeit und mittlere Frühreife
  • Leichte Geburten
Die Berghilfe hat 2018 zusammen mit Philippe Ammann verschiedene Rassen in Kurzfilmen vorgestellt.