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Pavel Beco ist gestorben

Mit Pavel Beco hat uns ein Vorkämpfer für den Erhalt der Agrobiodiversität verlassen. Der Einblick in sein bewegtes Leben gibt auch Einblick in die Geschichte von ProSpecieRara. Ein Nachruf.

Der tschechische Landwirtschaftsminister Richard Barták (2.v.r.) zu Besuch bei Pavel Beco (2.v.l.)

Pavel Beco mit einem Hinterwälderrind. Auf seinem Albisbodenhof fanden viele gefährdete Nutztierrassen ein Zuhause.

Pavel Beco brachte Jung und Alt die Nutzpflanzenvielfalt näher.

Von Hape Grünenfelder, Gründer von ProSpecieRara

Pavel war ein so vielfältig interessierter und tätiger Mensch, dass ein Nachruf auf ihn und seine Engagements Seiten füllen würde. Ein Engagement hat ihn jedoch über alle Landesgrenzen hinweg bekannt gemacht und dieses soll nachfolgend gewürdigt werden: Sein Engagement für den Erhalt der Agrobiodiversität in der Schweiz und in ganz Europa.

Pavel entstammte einer Arztfamilie, die infolge der russischen Besetzung der damaligen Tschechoslowakei 1968 aus Prag floh und in die Schweiz kam. Bei den Pfadfindern – wo er sich auch zeitlebens engagierte – entwickelte er sich zum «Naturburschen».  Er studierte Biologie und wurde dann Primarlehrer. Sein Wirken im höchstgelegenen Schulhaus des Kantons Zürich im Hörnlibergland brachte ihn der Berglandwirtschaft näher, der er sich fortan verpflichtet fühlte. Damals kam ich mit ihm in Kontakt, als er sich bei mir als damaligem «Chef» der neugegründeten Stiftung ProSpecieRara erkundigte, welche alten Nutztierrassen und Kulturpflanzensorten ich ihm für einen Bergbauernhof empfehlen könnte. Wir blieben in Kontakt. Er schien mir von Beginn weg «vielversprechend» für unsere eben angelaufenen Projekte.

Rettungshelfer für die Stiefelgeissen
Als im toggenburgischen Neckertal ein Bergbauernhof angeboten wurde, griff er zu und baute diesen aus, das Wohnhaus für eine Grossfamilie, das Gehöft für die Aufnahme gefährdeter Rassen und Sorten. In jener Zeit (1984) suchten wir notfallmässig Platz für Stiefelgeissen, als wir wegen Unfalls der Hirtin eine letzte Herde innert 72 Stunden übernehmen und über den Walensee verstellen mussten. Pavel bot Platz an. Dieses Ereignis führte übrigens später zum europaweiten Projekt des Aufbaus von «Rescue Stations» (Notfall-Aufnahmeplätzen), das von der EU-Kommission bezuschusst wurde. Bald folgten auf Pavels Albisbodenhof weitere gefährdete Rassen, Bündner Oberländerschafe, Wollschweine, Hühner und Gänse, im Gemüsegarten wuchsen Zuckerwurzel, alte Kartoffelsorten und vieles mehr und Pavel steuerte laufend alte Obstsorten bei. Schon bald wurde Pavels Hof zum Aushängeschild von ProSpecieRara. Immer wieder schickten wir interessierte Journalisten zu ihm hin. Dies führte dazu, dass Pavel bald überrannt wurde und sein Hof zum «Schauhof» wurde. Pavels einzigartiges Geschick, bei den Führungen jeweils genau auf das Niveau, bzw. das Wissensgebiet seiner Zuhörer einzugehen, verstärkten noch den Zustrom Interessierter. Als Lehrer konnte er Schulklassen begeistern, als Wissenschaftler sogar Landwirtschaftslehrer. So kam es, dass der damalige Vize-Landwirtschaftsminister Bartak aus Tschechien vor seinem Schweiz-Besuch bei den Schweizer Behörden den ausdrücklichen Wunsch deponierte, auch Pavels Hof besichtigen zu dürfen. Pavel hatte damals eine engagierte Praktikantin, Sigrid Kownatzki. Zusammen entwarfen sie ein Konzept zur Errichtung von sogenannten Arche-Höfen, eine Stufe einfacher als damalige Haustierparks. Sigrid setzte das Konzept dann bei der GEH in Deutschland um. Es war bestechend, sodass auch andere Länder nachzogen.

Vernetzung im Osten
Als 1989 die Berliner Mauer fiel und der ganze Eiserne Vorhang riss, kehrte Pavel erstmals wieder nach Prag zurück. Er war begeistert und sagte, ich müsse das nächste Mal mitkommen. Ich schlug ein und meinte, dass wir bei dieser Gelegenheit auch Leute besuchen sollten, die von ProSpecieRara gehört hatten, mit uns in Verbindung traten und von ihren eigenen Bemühungen berichteten, seltene Rassen an ihrem jeweiligen Ort zu erhalten. Also machten wir – nach einem ausgiebigen Pragbesuch – erst mal eine Rundtour durch Böhmen und Mähren. Wir waren erstaunt, dass wir dort Enthusiast:innen fanden, die, völlig auf sich selbst gestellt, unglaubliche Mühen auf sich nahmen (oft sogar gegen die früheren Staatfunktionäre) und echt viel erreichten. Nur: Sie kannten zwar durch Zeitungsartikel uns in der Schweiz, waren aber innerhalb ihres Landes nicht vernetzt. Spontan entschlossen wir uns, in Prag ein Koordinationsbüro einzurichten, das wir «Eko-Team Praha» nannten. Pavel übernahm die Organisation und dolmetschte, ich übernahm die «Finanzierung». Viel war nicht zu finanzieren, denn die Heizkosten überstiegen damals die Löhne der Mitarbeiter:innen, weil der Staat noch immer die Soziallasten trug. Die Arbeitsleistung des Eko-Teams war eher bescheiden, weshalb wir die Projektkoordination nach zwei Jahren in die Schweiz zurücknahmen. Aber nur schon die Tatsache, dass wir diesen Schritt taten, machte uns im ganzen ehemaligen Ostblock bekannt (selbst ein teurer Fernseh-Spot hätte uns nicht so viel gebracht!). Wir bekamen Zuschriften nach Prag und St.Gallen aus allen ehemaligen Oststaaten, die Pavel und ich dann alle bereisten, jedes Jahr für zwei bis drei Wochen, mal da, mal dort. Pavel und ich wurden enge Freunde.

Nach vorgängigem Studium der früheren Vielfalt (mit Unterlagen aus der Bibliothek der Hochschule für Bodenkultur, Wien) besuchten Pavel und ich dann jene Gebiete, wo wir noch Reste der früheren Agrobiodiversität zu finden hofften. Dies waren meist abgelegene (Berg-)Gebiete, die der Kollektivierung entgangen waren, oder Regionen mit traditionsverhafteten Minderheiten. Pavel war der Dolmetscher und an Pflanzen interessiert, ich an alten Haustierrassen. So kam es bei Pavel zu den Obst- und Wildobstsortensammlungen und zusammen fanden wir in den entlegensten Tälern der Beskiden und der Karpaten noch manche alte Haustierrasse.

Ein Herz für Wildobst
Dieses Engagement führte 1995 zur Gründung des «Monitoring Institute for Rare Breeds and Seeds in Europe», dessen Aufgabe es war, aufzuzeigen, was es früher gab, ob es noch vorhanden war und ob ein Handlungsbedarf zur Erhaltung bestand. Wir nannten dies «Mapping – Watching – Alarming». Erschien ein Erhaltungsprojekt noch sinnvoll, übernahm dies die inzwischen von uns mitgegründete europäische SAVE Foundation, in die das Monitoring Institute später eingegliedert wurde. Herausragende Arbeiten von Pavel waren u.a. der Aufbau eines mehrsprachigen Online- Synonymregisters der europäischen Obst- und Wildobstsorten, welches er mit Vaclav Tetera in Mähren und mit Koryphäen anderer Länder entwickelte. Im toggenburgischen Neckertal errichtete Pavel eine Baumschule für alte Obstsorten, die ganz besonders geeignet für höher gelegene Berglagen waren. Interessenten aus der ganzen Schweiz (und angrenzenden Gebieten) pilgerten zu Pavel, liessen sich beraten und deckten sich bei ihm ein. An mehreren Orten baute er auch öffentlich zugängliche Obstsortengärten auf. Ganz besonders lagen ihm aber Wildobstsammlungen am Herzen. Mehrere solche Sammlungen baute er mit dem Projektbüro der SAVE Foundation in der Ostschweiz auf. In Nordost-Slowenien war er schliesslich am Aufbau der europaweit grössten Wildobstsammlung beteiligt, in der er Akquisitionen vom Atlantik bis Sibirien zeigen wollte. Leider blieb ihm die Fertigstellung dieses ihm ganz besonders ans Herz gewachsenen Projektes nun versagt.

Mit dem Ableben von Pavel wurde ein immenses lexikalisches Wissen und viel Know-how zu Grabe getragen. Glücklicherweise hatte er vom Meisten aber Aufzeichnungen gemacht und hinterlassen. Wir alle verdanken Pavel viel und werden ihm immer ein ehrendes Andenken bewahren. Ruhe er in Frieden!