In Europa wären Patente auf Pflanzensorten und auf konventionell gezüchtete Pflanzen eigentlich verboten. Nur Pflanzen, die aus der Gentechnik stammen, sind von diesem Verbot ausgenommen. Das EPA hat jedoch auf der Grundlage einer höchst umstrittenen Auslegung des Patentrechts begonnen, Patente auch auf konventionell gezüchtetes Saatgut zu erteilen – so geschehen kürzlich im Fall des französischen Saatgutsunternehmens Vilmorin, dessen Patent Exklusivrechte an Tomatenpflanzen mit Toleranz/Resistenz gegen das sich rasant ausbreitende Tomato Brown Rugose Fruit Virus (ToBRV, auch Jordan-Virus genannt) beansprucht. Diese Patente sind nun im Begriff, die Innovation und Vielfalt in der europäischen Pflanzenzucht zu zerstören. Denn auch andere Arten wie Spinat, Salat, Brokkoli, Gerste oder Mais sind von Patenten auf konventionelle Pflanzen betroffen.
Patente gefährden Pflanzenzüchtung
Dagegen wehrt sich gemeinsam mit den vielen Miteinsprechenden die internationale Koalition «No Patents on Seeds!»: «Wir fordern, dass Patente wie jenes von Vilmorin, welche natürliche Resistenzen monopolisieren, gestoppt werden. Diese Patente gefährden die traditionelle Pflanzenzüchtung und verstossen nicht nur gegen europäisches Recht, sondern auch gegen das öffentliche Interesse», sagt François Meienberg von ProSpecieRara. Aus dem neuen Bericht von «No Patents on Seeds!» zu Tomatenpatenten geht hervor, dass von neun Unternehmen insgesamt mehr als 20 Patentanträge eingereicht wurden, die sich alle auf konventionell gezüchtete Tomaten beziehen, die gegen ToBRV resistent sind. Das Patent, gegen das nun Einspruch eingelegt wurde, ist das erste in dieser Gruppe, das vom EPA erteilt wurde.
«Diese Patente behindern die Innovationskraft kleiner und mittlerer Züchtungsunternehmen und verursachen grössere gesellschaftliche Nachteile, als sie individuelle Vorteile bringen», sagt auch Amadeus Zschunke, Geschäftsführer der Sativa Rheinau AG. «Gerade kleine Länder mit vielfältigen Anbaubedingungen wie sie in der Schweiz bestehen, brauchen eine ausreichende Sortenvielfalt. Kleine und mittlere Züchtungsunternehmen stellten diese Sortenvielfalt zur Verfügung – doch solche Patente hindern uns daran, gute Lösungen zu entwickeln, die in Zeiten des Klimawandels dringend nötig wären.»
Kostspieliger Zugang zu Züchtungsmaterial
Es kursieren bereits Informationen, wonach die Patentinhaber für Zugang zum Züchtungsmaterial zwischen 50.000 € bis 200.000 € verlangen. Darüber hinaus können von Züchtungsunternehmen, die dieses Material verwenden, bis zu fünf Prozent des Umsatzes mit ihren eigenen Sorten verlangt werden. Eine einzelne Pflanzensorte kann aber von mehreren Patenten betroffen sein, wodurch sich die Lizenzgebühren aufsummieren.
Österreich hat bereits vorgemacht, wie man mit Änderungen im nationalen Patentrecht solche Patente und ihre drastischen Auswirkungen einschränken kann. Die Schweiz soll diesem Beispiel folgen. Wenn dann auch das Europäische Patentamt seine umstrittene Auslegung ändert, werden diese Patente der Vergangenheit angehören.
ProSpecieRara und Swissaid sind Mitgliedorganisationen von «No Patents on Seeds!»
Mehr zum Vilmorin-Patent:www.no-patents-on-seeds.org/de/jordan_virus
Bericht zu Tomaten-Patenten:www.no-patents-on-seeds.org/en/report-tomato
Medienkontakte für weitere Informationen:
- François Meienberg, Projektleiter Saatgutpolitik, ProSpecieRara; Tel: +41 61 545 99 19, francois.meienberg(at)prospecierara.ch
- Amadeus Zschunke, Geschäftsführer Sativa Rheinau AG; Tel: +41 52 544 06 12, a.zschunke(at)sativa-rheinau.ch