Flecht-, Binde- und Imkerweiden

Weiden wurden auf vielfältigste Art genutzt: zum Flechten von Korbwaren, zum Binden von Reben und als Nahrungsquelle für Honigbienen. Weil viele Weidensorten verschwinden, hat ProSpecieRara ein Förderprojekt gestartet.

Aus wilden Weidenarten entstanden über Generationen zahlreiche Kulturweidensorten.

www.salicetum.ch

Weiden wurden zum Flechten von Körben, zum Aufbinden von Reben oder als Nahrungsspender für Bienen angebaut.

In Kürze
In der Obhut des Menschen entstand über Generationen eine Vielfalt an Weiden, die zum Flechten von Korbwaren, zum Binden von Reben oder als Nahrungsspender für Honigbienen angebaut wurden. Um all die verschiedenen Anforderungen, die dafür an die Weiden gestellt werden, erfüllen zu können und weil sich dieselbe Weidensorte nicht auf jedem Boden gleich entwickelt, ist es wichtig, die Vielfalt der Weidenvarietäten zu erhalten. Da diese mehr und mehr verschwindet, startete ProSpecieRara im Frühling 2016 ein Erhaltungs- und Förderprojekt.

Wir suchen alte Weidensorten
Zurzeit sind wir am Inventarisieren der Kulturweidensorten. Haben oder kennen Sie alte Weidenbäume/-stöcke/-anlagen,

  • von denen Sie wissen, dass daraus Flechtruten gewonnen wurden oder werden
  • von denen Binderuten für das Binden von Reben o.ä. geschnitten wurden oder werden
  • die von Imkern speziell auf die Eignung als Frühlingstrachtpflanze für Honigbienen gepflegt wurden oder werden

...dann würden wir uns über Ihre Kontaktaufnahme mit Informationen über die Herkunft oder die Geschichte der Weiden freuen. Bitte benützen Sie zur Kontaktaufnahme mit uns das Meldeblatt, das Sie auf dieser Seite finden. Nützlich sind dabei auf jeden Fall auch Fotos der ganzen Weiden, der Blätter und der Blüten. Herzlichen Dank!

Bitte berücksichtigen Sie, dass unser Projekt sich nicht mit natürlich vorkommenden Weidenarten beschäftigt. Die Kulturweidensorten, die wir erfassen, wurden bewusst von Korbflechtern, Winzern oder Imkern selektioniert und angebaut bzw. gesteckt.

ProSpecieRara-Weidensorten erfüllen folgende Kriterien:

  • Kultursorte (Landsorte, Zuchtsorte; bevorzugt basierend auf heimischen Arten)
  • Kulturhistorische Bedeutung (Flecht-, Binde-, Bandstock-, Energie-, Imker-, Arzneiweide, ...), wenn immer möglich gesichert durch (Literatur-)Belege
  • Ursprüngliche Verwendung (belegt oder vermutlich) in der Schweiz und im angrenzenden Ausland (= ca. Mitteleuropa)
  • Nomenklatur soweit möglich geklärt
  • Sorte physikalisch vor Ort und auf «Echtheit» begutachtet
  • Eigenschaften (Botanik, Kultur) studiert und Verwendbarkeit überprüft

Projektbeschrieb:
Absicherung und Förderung der Vielfalt der Flecht-, Binde- und Imkerweiden

Weil die Menschen einst viel anfangen konnten mit den Weiden und weil für die verschiedenen Bedürfnisse unterschiedliche Eigenschaften benötigt wurden, entstand eine grosse Vielfalt verschiedener Kulturweiden-Sorten. Die dadurch hervorgegangene, faszinierende Flecht-, Binde- und Imkerweidenvielfalt geriet aber ins Vergessen und verschwindet mehr und mehr. Mit diesem Projekt gibt ProSpecieRara Gegensteuer.

Die natürlichen Weidenarten: Ursprung der kultivierten Weidensorten
So unterschiedlich die natürlichen Lebensräume der Schweiz sind, so reich ist die Vielfalt der Weiden im Land. Zu den rund 30 einheimisch vorkommenden, wilden Weidenarten gehört die imposante, bis 30 m hohe Silberweide (Salix alba) ebenso, wie die nur wenige Zentimeter gross werdende, alpine Krautweide (Salix herbacea). Für alle Weiden typisch ist, dass sie zweihäusig sind, d.h. es gibt rein männliche und rein weibliche Pflanzen. Die allermeisten Weiden lassen sich vegetativ über Stecklinge vermehren. Weiden liefern Nahrung und Lebensraum für unzählige Tierarten und prägen die Landschaft. Insbesondere die früh blühenden Arten liefern als erste Pflanzen im Jahr Pollen und Nektar und sind dadurch für Bienen und viele andere Insekten wertvoll.

Entstehung der Weidensortenvielfalt
Seit Jahrtausenden nutzt auch der Mensch die Weiden, um Korbwaren herzustellen, im Rebberg Triebe zu binden oder als Futterpflanze für seine Bienenvölker. Während die Korbflechter sich für lange, unverzweigte Ruten interessieren und auf Eigenschaften wie die Flecht-, Schäl- und Spaltbarkeit der Triebe sowie auf die Farbvariationen der Rinde und des geschälten Holzes Wert legen, suchen Imker Weiden, die reiche und anhaltende Pollen- und Nektartracht für ihre Bienenvölker liefern. Heute werden Weidensorten zudem auch im Wasserbau zum Befestigen von Ufern, im Gartenbau z.B. als attraktive und natürliche Flechtzäune und zur Gewinnung von Brennholz und Biomasse genutzt. Aus Wildarten entstand durch die Selektion des Menschen auf diese unterschiedlichen Eigenschaften eine Vielfalt an Kulturweiden-Varietäten.

Wieso ist die Vielfalt der Weidensorten schützenswert?

  • Die vom Menschen genutzten und durch seine Selektion entstandenen Weiden-Varietäten erzählen uns heute die Geschichte der einst bedeutenden Korbflechterei. Sie sind Rohstoff für traditionelles und zeitgenössisches Handwerk und Teil unserer Kulturgeschichte.
  • Die durch die Nutzung entstandene Weidenvielfalt ist über einen grossen Zeitraum entstanden und ist heute gefährdet. Diese Vielfalt soll Weidenflechterinnen und -flechtern und vielen anderen Menschen, die Weiden mannigfaltig nutzen, auch morgen noch zur Verfügung stehen.
  • Die Erhaltung der Vielfalt an Weidensorten bewahrt einen umweltschonenden und nachwachsenden Rohstoff.
  • Durch die Förderung der Pflanzung mannigfaltiger Weidensorten profitieren viele wildlebende Tiere wie Insekten und Vögel. Und auch für die Honigbienen stellen die Weidensorten wertvolle Nahrungsquellen dar.
  • Viele Weidensorten können zur Absicherung auch als Kopfweiden kultiviert werden, welche nebst wertvollem Lebensraum für Tiere auch attraktive Elemente im Landschaftsbild darstellen.

Projektziele

  • Beschreibung und Inventarisierung der heute noch existierenden Weidensorten mit einem kulturhistorischen Bezug zur Schweiz
  • Absicherung des kulturhistorischen Hintergrundes
  • Dezentrale Pflanzungen zur Absicherung der Weidensorten (Sortengärten und Einzelstandorte)
  • Schaffung des Zugangs zu Weidensortenpflanzen und zu Sorteninformationen
  • Förderung der Nutzung der Sortenvielfalt

Projektpartner
Für dieses Projekt arbeitet ProSpecieRara mit Frau Dr. Sonja Züllig-Morf (www.salicetum.ch) zusammen, die als Apothekerin, Fachfrau für naturnahen Garten- und Landschaftsbau sowie als Sachkundige bezüglich Weidensystematik und Anbau von Kulturweiden eine zentrale Rolle spielt. Für die Absicherung der Weidensorten arbeiten wir in einem Netzwerk mit Gärtnereien, Institutionen und Privatpersonen zusammen.

Dieses Erhaltungs- und Förderungsprojekt startete ProSpecieRara im Frühling 2016. Es hat zum Ziel, die noch vorhandenen Sorten zu inventarisieren und zusammen mit einem Netzwerk aus Sortenerhalter:innen und weiteren Institutionen an neu zu schaffenden Standorten abzusichern. Parallel dazu werden die Sorteninformationen aufbereitet, in der ProSpecieRara-Sortendatenbank abgesichert und online (im ProSpecieRara-Sortenfinder) für alle Interessierten zugänglich gemacht. Bis Juni 2022 wurden 29 Sorten so aufgearbeitet.

Ein Sortenmuttergarten entsteht
2017 konnte in Zusammenarbeit mit dem Verein Sozialpsychiatrie Baselland  in Erschwil SO ein Sortenmuttergarten erstellt werden, der mit 1'600 Steckhölzern von 16 Weidensorten bepflanzt wurde. Dies war ein wichtiger erster Schritt für eine dezentrale Sortenabsicherung. Weitere Sortengärten sind nötig, um breiter absichern zu können. 2018 folgte ein zweiter Standort in Aesch BL, ein dritter entstand bei www.salicetum.ch in Oberdorf.

Sortenabsicherung im Erhalternetzwerk
Im Rahmen des Projekts konnten bis Juni 2022 bereits 52 ehrenamtliche Sortenerhalter:innen dafür gewonnen werden, die Sorten breiter abzusichern. Dieses Absicherungsnetzwerk soll weiter ausgebaut werden. Viele verschiedene Standorte werden nebst höherer Sicherheit auch helfen, das Thema der Weidenvielfalt bekannter zu machen. Wer bei der Sortenabsicherung mithelfen will, ist eingeladen, sich bei uns zu melden (per Tel. 061 545 99 28 oder per Email).

Finanzierung
Die beiden ersten Projektphasen 2016-2018 und 2019-2021  wurden unter anderem von der Avina Stiftung, der Binding Stiftung und der Fondation de bienfaisance Jeanne Lovioz unterstützt. Für die Fortführung zählt die Stiftung auf Spenden und Legate.

Juni 2022, © ProSpecieRara

Steckbrief

Erhaltungsprojekt
2016

Absicherung der Sortenvielfalt bei den Kulturweiden über Pflanzungen und über Informations- und Wissensvermittlung an Menschen, die wieder mit alten Weidensorten arbeiten möchten.

Das Projekt wird ab 2022 mit Spendengeldern finanziert. Danke für Ihre Unterstützung, damit wir bei den Weiden dran bleiben können!

Seit Projektstart konnten 29 Weidensorten ins Erhaltungsprogramm aufgenommen werden. Weitere Sorten sind in der Pipeline. Bereits 52 Sortenerhalter:innen (Stand Juni 2022) machen bei der Absicherung mit, weitere sind hoch willkommen.

Philippe Ammann
Stv. Geschäftsführer und Bereichsleiter Tiere
Telefon +41 61 545 99 28